Wider das Vergessen und Bestreiten, das Verdrängen und Verleugnen geht Leo Hiemer, der Allgäuer Kult-Regisseur („Daheim sterben die Leut'“), jetzt auf Vortragstour.
Die erste Veranstaltung fand am 21. März 2012 bei der VHS Kaufbeuren statt.
Hiemers Film „Leni …muss fort“ (Prädikat: besonders wertvoll) aus dem Jahre 1994 wurde in Sta. Barbara, Fort Lauderdale, Laon, Bellinzona, Bludenz und Schwerin preisgekrönt.
Es sind nicht die vielfach gewohnten, allzu oft als überdrüssig empfundenen Bilder des Holocaust-Schreckens, sondern das sensible, stille Nachspüren eines bewegenden Kinderschicksals, das diesen Streifen ausmacht.
Nun nimmt der gelernte Historiker sein Publikum mit auf Spurensuche nach dem Vorbild der kleinen Leni.
Unter dem Titel „Aus dem Paradies in die Hölle. Gabriele Schwarz (* 1937 Marktoberdorf + 1943 Auschwitz)“ legt er Daten und Fakten, Fotos und Dokumente vor und schildert detailliert die Geschichte der kleinen Gabi und ihrer jüdischen Mutter Lotte, die 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg an der Saale ermordet wurde.
Ja: ein Allgäuer Paradies war es wohl, wo Gabriele Schwarz bei ihren Pflegeeltern in Stiefenhofen aufwuchs. Ihre Mutter Lotte hat trotz einiger beruflichen wie privaten Lebensbrüchen Alles unternommen, um dem vom Führerstaat den Juden bestimmten Schicksal zu entgehen.
Ihre Brandmarkung durch die 1935 erlassenen Nürnberger Gesetze stellte die Verfolgung auf eine rechtliche Grundlage. Im Jahr darauf wurde Lotte schwanger – in Liechtenstein. Doch konnte sie dort nicht bleiben, kehrte 1937 ins Reich zurück. Weil Verbindungen von Juden und „Ariern“ verboten waren, hat sie den Namen des Vaters von Gabi nie genannt. Der mit ihr bekannte Kardinal Faulhaber aus München sorgte persönlich dafür, dass sie getauft wurde, stellte ihr gar eine Empfehlung nach Amerika aus.
Ihre Gabi wähnte sie bei den Aicheles sicher, doch die Nazimaschinerie lief auch im letzten Winkel Deutschlands wie geschmiert: hier wie überall gab es Fanatiker, Denunzianten, Mitläufer, Bürokraten, Obrigkeitshörige.
Nach der „Kristallnacht“ 1938 wurde die zweijährige Gabi als Volljüdin amtsbekannt. Nach der Ermordung der Mutter war es ausgerechnet die Hausbank der jüdischen Familie Schwarz in Augsburg, die durch eigeninitiative Anfrage beim Oberfinanzpräsidenten in München die Gestapo auf Gabi aufmerksam machte. 1943 musste Gabi „fort“, zunächst in ein Judenheim nach München, dann „reiste“ sie nach Auschwitz aus und ihr Vermögen, dreitausend von der Mutter ererbte Reichsmark in Wertpapieren, wurde an die Reichshauptkasse überwiesen.
In der anschließenden Diskussion brachte eine Mitarbeiterin des Kaufbeurer Asylkreises, zufällig am selben Tag geboren wie Gabriele Schwarz, die aktuellen Bezüge auf den Punkt: Verfolgung spiele sich noch heute mitten unter uns ab. Die Zuhörerin zog eine Parallele zwischen der Entrechtung und Deportation der Juden damals und der Abschiebehaft und fragwürdigen Abschiebungen heute. Heute wie damals gehe dabei Alles streng nach Recht und Gesetz!?
Leo Hiemer betonte, dass auch heute noch Kinder in dieser Welt Opfer von Verfolgung aus rassischen bzw. ethnischen Gründen würden. Zudem griff er das Etikett „Nazi-Jägerin“, das die Medien der chancenlosen Kandidatin bei der jüngsten Bundespräsidentenwahl, Beate Klarsfeld, angehängt haben, auf und stellte fest, dass dieses Land angesichts des auf breiter Linie versagenden Verfassungsschutzes „Nazi-Jäger“ eigentlich bitter nötig hätten.
Leo Hiemer bereitet zur Zeit eine Wanderausstellung vor, an den Orten, wo Gabi und ihre Mutter Lotte gelebt haben: in Augsburg, im Allgäu, im Fürstentum Liechtenstein und in München. Die Ausstellung soll im „Museum der Bayerischen Geschichte“, das 2018 in Regensburg eröffnet werden soll, dann ihren festen Platz finden.
Schon jetzt geht Leo Hiemer auf Vortragstour, um gegen das Vergessen und Bestreiten, das Verdrängen und Verleugnen, anzugehen, und die Geschichte von Gabriele Schwarz und ihrer Mutter, eine Geschichte voller Liebe, Hass, Angst und Hoffnung, zu erzählen.
Buchungen direkt bei: Leo Hiemer leo.hiemer@gmx.de www.hiemer-film.de
Erich Neumann, freier Journalist über VZB Verband, der Zeitschriftenverlage in Bayern e. V. und Medienunternehmer www.cmp-medien.de , Postfach 11 06, D – 82196 Gilching, GSM 01 72 3 55 08 00, e-Mail newsletter@cmp-medien.de
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