Wien (pts028/29.09.2011/13:50) – Derzeit findet in Wien die traditionelle Dreiländertagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaften für Medizinische Physik (DGMP, ÖGMP und SGSMP) statt. Highlights sind unter anderem moderne Verfahren, die bei Tumorerkrankungen eine individuelle, zielgenaue und schonende Strahlentherapie ermöglichen sowie Innovationen auf dem Gebiet der Magnetresonanztomographie.
Optimierte Tumorbehandlung
Mit Hilfe moderner Linearbeschleuniger und computerunterstützter Therapieplanung ist es möglich, individuell für jeden Patienten entsprechend der Tumorform eine räumliche Optimierung der Strahlentherapie zu erreichen. Eine Herausforderung ist es, dabei sowohl Lageveränderungen zwischen den einzelnen Bestrahlungseinheiten (Fraktionen) – wie sie durch Veränderungen des Körpergewichts, aber auch der Füllungszustände umliegender Organe (z.B. Harnblase, Darm) verursacht werden – als auch Lageveränderungen während einer Bestrahlungsfraktion, wie sie beispielsweise durch Atembewegungen oder Herzschlag bedingt sind – möglichst exakt zu erfassen und zu kompensieren. „Diese zeitlichen Veränderungen können nun dank moderner Technologien – so genannter bildgeführter Radiotherapie – aufgelöst und korrigiert werden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Dietmar Georg, Leiter der Abteilung für Medizinische Strahlenphysik, Universitätsklinik für Strahlentherapie der MedUni Wien/AKH Wien. Dadurch ist es möglich, den bisher im Rahmen einer Strahlentherapie erforderlichen Sicherheitssaum um einen Tumor deutlich zu reduzieren und benachbartes gesundes Gewebe zu schonen. Dies wiederum erlaubt, das Tumorgewebe selbst mit höheren Dosen zu bestrahlen und damit eine effizientere Therapie durchzuführen.
Fusion verschiedener Verfahren
In der Diagnostik wird weiters durch Fusion verschiedener Bildgebungsmodalitäten wie CT, Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) angestrebt, die Informationen zu vertiefen. Beispielsweise lässt sich durch CT hauptsächlich eine sehr genaue Darstellung der Anatomie gewinnen, während die MRT vor allem Informationen über Weichteilgewebe liefert, wodurch z.B. Tumorgrenzen und damit das Zielgebiet einer Strahlentherapie exakter definiert werden können. Die PET wiederum spiegelt den Stoffwechselstatus eines Gewebes, das heißt zum Beispiel Tumorwachstumsgrenzen, wieder. „Durch Fusion all dieser Informationen kann die Behandlungsstrategie, v.a. die Strahlentherapie, sehr exakt geplant werden“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Birkfellner, Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik an der Medizinischen Universität Wien.
Innovationen in der Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein sehr modernes, ohne Röntgenstrahlung funktionierendes bildgebendes Verfahren, das laufend methodisch und technisch weiterentwickelt wird. „Beispielsweise gibt es neue Geräte, an die gleichzeitig sehr viele Spulen angeschlossen werden können, die förmlich in den Körper des Patienten hineinhorchen können. Damit können Bilder schneller und mit hoher Bildqualität aufgenommen werden“ so Univ.-Prof. Dr. Laura Schreiber, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für medizinische Physik. „Auch kommen Inkubatoren mit solchen Spulen auf den Markt, mit denen Frühgeborene jetzt in bester Bildqualität untersucht werden. Dies war bisher nicht möglich.“
Eine aktuelle Innovation sind so genannte Hochfeld-Tomographen, die mit zwei- bis dreimal stärkeren Magneten als bisher arbeiten und extrem scharfe Bilder aus dem Körper liefern. Damit lassen sich beispielsweise Blutgefäße in Tumoren viel deutlicher erkennen, man erwartet besondere Vorteile bei der Diagnostik von Hirntumoren. Die neuen Geräte können die exakte Lage und Größe eines Tumors bestimmen und damit verhindern helfen, im Falle einer Tumoroperation gesundes Gewebe zu schädigen.
Ein weiteres Beispiel für eine innovative Weiterentwicklung der MRT ist, dass sie bei Lungenerkrankungen wie Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), wie sie bei langjährigen Rauchern auftritt, eine exaktere und frühzeitigere Diagnose über das Ausmaß vorliegender Schädigungen erlauben. Dies soll in Zukunft ermöglichen, durch medikamentöse oder andere Maßnahmen ein Fortschreiten dieser Schäden in der Lunge zu verhindern.
Individuelle Nutzen–Risiko–Abschätzung
„Die medizinische Strahlenexposition hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, betont Univ.-Prof. Dr. Gunnar Brix, Abteilung für Medizinischen und beruflichen Strahlenschutz, Bundesamt für Strahlenschutz. Dies ist im Wesentlichen auf den zunehmenden, teilweise auch unkritischen Einsatz der Computertomographie (CT) zurückzuführen. Während bei Krebspatienten der Nutzen dieser Untersuchungen die Risiken bei weitem überwiegt, ist dies bei Patienten mit koronaren Herzerkrankungen nicht immer der Fall. Mit besonderer Sorge beobachten Experten den zunehmenden Einsatz der CT zur Früherkennung von Erkrankungen bei asymptomatischen Personen, da damit aus derzeitiger Sicht keinerlei Vorteil verbunden ist.
Vor allem für überweisende Ärzte wird die „Orientierungshilfe Radiologie“ – orientierungshilfe.vbdo.at – herausgegeben, die für verschiedene Fragestellungen auflistet, welches bildgebende Verfahren in welcher Reihenfolge angewendet werden soll. Sie ist auch für Patienten einsehbar. „Der Patient sollte im Einzelfall bei seinem Radiologen kritisch hinterfragen, ob z.B. eine CT wirklich erforderlich ist oder ob nicht auch eine Ultraschall- oder MR-Untersuchung die gleiche Information liefert“, rät Prof. Brix. Eine weitere Hilfestellung bietet der Röntgenpass, in den sämtliche durchgeführte radiologische Untersuchungen eingetragen werden sollten. Dieses Dokument soll dazu beitragen, nutzlose Doppeluntersuchungen zu vermeiden.
Eigene Berufsgruppe mit vielfältigen Aufgaben
Medizinphysiker sind mittlerweile von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO als eigene Berufsgruppe anerkannt und nehmen in der Internationalen Atombehörde (IAEA) eine zunehmend wichtige Stellung ein (hier u. a. in der Standardisierung medizinphysikalischer Verfahren und deren Weitergabe an Entwicklungsländer). In der EU laufen mehrere Programme zur vereinheitlichten Standardisierung des „Medizinphysikers“ sowie zur Erfassung des „Physikunterrichts“ in medizinischen Berufsausbildungen. „Auch und gerade für eine relativ kleine Gesellschaft wie die ÖGMP mit etwa 200 Mitgliedern ist es notwendig, auf dem Laufenden zu bleiben, internationale Entwicklungen zu beobachten, aber auch Kontakt zu nahestehenden Organisationen in Österreich zu halten“, meint Dr. Werner Schmidt, Institut für Radioonkologie im Wiener Donauspital und Präsident der ÖGMP.
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